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Wer kommt zu spät zum Daily Scrum?

27.7.2010 | 6 Minuten Lesezeit

Das tägliche Scrum dauert nur eine Viertelstunde und ist das zentrale Instrument eines Teams, um den Tag zu koordinieren und strukturieren. Da sollte man meinen, dass jede Minute zählt und jedem dem Meeting die Priorität und Bedeutung beimisst, die es verdient. Die Erfahrung zeigt aber, dass es immer wieder geschieht, dass Teammitglieder nicht rechtzeitig zum Daily Scrum erscheinen. Wie geht man am besten mit der Situation um?

Vor einigen Tagen fand auf Twitter eine vergleichsweise lebhafte Diskussion zu dem Thema statt (welche durch das 140-Zeichen-Limit effektiv unterbunden wurde). Auslöser war ein Vorschlag von it-agile Zuspätkommende sollten als Strafe auf betterplace.org spenden . Daraufhin regnete es Thesen und Vorschläge, was ich zum Anlass nehmen möchte, das Problem gerne nochmal aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.

Grundsätzlich produziert jegliches Handeln bestimmte Ergebnisse, welche wiederum eine oder mehrere Folgen nach sich ziehen. Wenn wir als mögliche Ergebnisse „zu spät zum Daily Scrum“ und „pünktlich zum Daily Scrum“ analysieren, welche Handlungen führen zu den Ergebnissen, und welche Folgen zieht sie nach sich?

Ergebnis: „Zu spät zum Daily Scrum“

HandlungenErgebnisseFolgen
  • Zu spät von zu Hause losgefahren
  • Zu spät aus einem anderen Meeting rausgekommen
  • Gerade etwas anderes „wichtiges“ zu tun
  • Die Uhr ging nach
  • Vertieft in die Arbeit und nicht gemerkt dass Daily Scrum ist
  • Zu spät zum Daily Scrum
  • (und noch weitere, die uns an dieser Stelle aber nicht weiter interessieren)
  • Andere im Team sind sauer
  • Die Zeit der anderen Teammitglieder wird vergeudet. Im gemeinsamen Interesse das Sprint-Commitment halten zu können, wird das wichtigste vermutlich wiederholt werden.
  • Informationsaustausch ist funktioniert
  • Strafe für’s zu spät kommen

Ergebnis: „Pünktlich zum Daily Scrum“

HandlungenErgebnisseFolgen
  • Man steht pünktlich zum Daily Scrum auf und geht in den entsprechenden Raum
  • Pünktlich zum Daily Scrum
  • (und noch weitere, die uns an dieser Stelle aber nicht weiter interessieren)
  • Flüssiges Meeting, das pünktlich zu Ende ist
  • Belohnung für’s pünktlich sein

Wer kommt zu spät

Interessant und störend wird die Situation erst, wenn sie gehäuft auftritt. Das heißt entweder kommt eine Person immer wieder zu spät, oder es sind sogar alle Teammitglieder gleichermaßen daran beteilig. Nun bieten sich auf den ersten Blick über die Betrafung oder Belohnung des jeweiligen Verhaltens zwei Hebel an.

Eine Möglichkeit besteht darin, Zuspätkommende zu bestrafen. Wenn die Strafe nur hoch genug ist (ein Finger abhacken pro Minute Zuspätkommen) wird mit Sicherheit niemend mehr auf absehbare Zeit zu spät zum Daily Scrum kommen. Dies wird aber zu lasten von anderen gewünschten Aktivitäten erfolgen, da jeder unter allen Umständen und Eventualitäten pünktlich sein möchte. Dann werden andere wichtige Meetings gar nicht erst wahrgenommen. Die Familie wird vernachlässigt, weil man sich schon um 5 Uhr morgens auf den Weg macht, um gegen Megastaus und Bahnausfälle gewapptnet zu sein. Klar, ich übertreibe jetzt, aber der Punkt ist denke ich klar: Natürlich kann ich ein Verhalten erzwingen, aber um welchen Preis? Außerdem: Verantwortlich für das Stattfinden und die Durchführung des Daily Scrums ist der Scrum Master. Hat er die nötige Weisungsbefugnis, um die Strafen auch durchzusetzen? Vermutlich nicht, denn das würde ja in einem starken Gegensatz zu der vom Team zu recht eingeforderten Selbstorganisation stehen. Eine Sackgasse.

Wie sieht’s mit Belohnungen aus? Wer pünktlich kommt, erhält als kleines Dankeschön € 100,00 in Bar. Ach, warum so geizig: € 10.000. Und, klappts? Abgesehen davon, dass der Product Owner die gestiegenen Kosten wohl nicht finanzieren würde, nutzt sich der Effekt der Belohnung spätestens nach dem einhunderstem Daily Scrum ab: Millionäre dürfen ruhig zu spät kommen. Außerdem ist eins ja wohl sonnenklar: Ohne die Belohnung wird überhaupt niemand mehr kommen.

Ok, abgehackte Finger und Millionenboni sind natürlich absurd (hoffe ich), aber es hilft die Effekte die stattfinden zu beleuchten. Was passiert wohl bei reduzierten Strafen und Belohnungen?

Wie wär’s mit einem Kaffee für alle, die pünktlich sind? Auch was anfangs vielleicht dazu gedacht sein mag ein jungagiles Team an den Prozess zu gewöhnen, kann schnell zum Bumerag werden. Wir Menschen haben da nämlich eine ganz dumme Angewohnheit: Selbst wenn wir Handlungen aus eigenen Antrieb ausführen, wenn es dafür eine Belohnung gibt, neigen wir dazu die Handlung nachträglich dem Erreichen der Belohnung zuzuschreiben. Ein Verdrängungseffekt findet statt: an die Stelle unserer intrinsischen Motivation tritt die extrinsische Belohnung. Um die erwünschte Handlung aufrecht zu erhalten, muß die Belohnung erhalten oder sogar erhöht werden. Irgendwann kommt niemand mehr wegen eines lausigen Kaffees zum Daily Scrum. Da muß es schon ein Latte Macchiato sein. Oder im Winter ein Irish Coffee 🙂 Die Belohnung lenkt jedenfalls den Fokus vom eigentlichen Ziel ab (nur zur Erinnerung: ein flüssiges und schnelles Daily Scrum) hin zum Erreichen der Belohnung. Das dieser Effekt um so stärker auftritt, wenn die Handlung ursprünglich nicht intrinsisch motiviert war, versteht sich von selbst. Belohnungen sind also kein probates Mittel, um Verspätungen dauerhaft einzudämmen.

Als Bestrafung für verspätetes Erscheinen wurden auf Twitter unter anderem die Zahlung eines kleineren Geldbetrags an einen guten Zweck oder öffentliches Singen genannt. Aber auch kleine Bestrafungen können einen ähnlich desaströsen Effekt haben, wie Belohnungen. Als Beispiel sei hier die Studie „A Fine Is A Price“ (2000: Gneezy, U. / Rustichini, A) angeführt: In einigen Kindergärten wurde eine kleine Geldstrafe für verspätetes Abholen der Kinder eingeführt. Es stiegen nicht die Anzahl der Verspätungen an, diese blieben auch auf dem fast doppeltem Niveau, nachdem die Geldstrafe wieder abgeschafft wurde. Die Autoren erklären dieses Verhalten mit einem unvollständigen Vertrag. Auf die Situation des Daily Scrums übertragen könnte das heißen, dass der unvollständige Vertrag formuliert werden kann als: „Wir treffen uns täglich zur selben Zeit und am gleichen Ort zum Daily Scrum. Dies sehen wir als richtig und wichtig an. Wenn sich jemand verspätet wird meistens auf ihn gewartet, und das wichtigste wiederholt, damit wir gemeinsam unser Sprint commitment halten können. Wenn sich die Verspätungen häufen wird aber vermutlich etwas geschehen.“ Dieses unkonkrete etwas, das geschieht, ist potentiell unerwünscht, aber sehr diffus. Dies wird durch die Geldstrafe konkretisiert, was in den Augen der Mitglieder die Geldstrafe zur schlimmstmöglichen Konsequenz macht.

Leider gibt die Studie keine Empfehlungen an die Hand, welche besseren Alternativen es gibt, den unvollständigen Vertrag zu konkretisieren.

Informierend oder Kontrollierend

Laut der kognitiven Bewertungstheorie (Cognitive Evaluation Theorie ) macht es einen Unterschied, ob ein extrinsischer Faktor, wie eine Belohnung oder eine Bestrafung, als kontrollierend oder informierend wahrgenommen wird. Während sich kontrollierende Faktoren negativ auf die intrinsische Motivation auswirken (und entweder rebellisches oder angepasstes Verhalten verursachen), haben lediglich informierende Faktoren keinen negativen Einfluß auf die intrinsische Motivation. Das heißt um auf lange Sicht alle Teilnehmer zur Pünktlichkeit zu bewegen, muß das Team einen Weg finden den Zuspätkommer zu informieren, ohne den Kontrollaspekt des Feedbacks überzubetonen. Dies könnte z.B. durch Ich-Botschaften geschehen, in denen andere Teammitglieder erklären, wie sie die Situation erleben. Wenn alle damit einverstanden sind, kann die Konsequenz fürs Verspäten auch eine öffentliche Gesangseinlage sein, oder ein mitgebrachter Kuchen, oder oder oder. In jeden Fall dürfte der „konkretisierte Vertrag“ so individuell wie das Team sein.

Gibt es in Deinem Team Maßnahmen gegen Verspätungen im Daily Scrum – oder allgemein in den Scrum Meetings? Ich würde mich über Eure Kommentare freuen.

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