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Kunden-E-Mails effizient verarbeiten – mit künstlicher Intelligenz

7.4.2019 | 7 Minuten Lesezeit

Einleitung

Künstliche Intelligenz (KI) findet sich heutzutage scheinbar überall. Bereits ohne den derzeitigen Hype-Faktor um KI ist der Begriff nur schwer zu greifen. Viele Unternehmen sehen sich unter Zugzwang, KI als neue Technologie einzusetzen und deren Potentiale auszuschöpfen. Große Internet(!)-Konzerne haben das Geld, die Daten und Expertise in Data Science und zeigen, welche innovativen Produkte damit heute möglich sind.

Schon lange ist es zuverlässig möglich, Spam-E-Mails automatisch zu erkennen. Aktuelle KI-Technologien erlauben es Maschinen heute, E-Mails auch inhaltlich zu verstehen. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten E-Mails automatisiert zu verarbeiten.

Darum geht es in diesem Artikel.

Die Situation

Stellen wir uns folgende Situation vor: die ACME Mobilfunkgesellschaft erhält täglich mehrere Tausend Kunden-E-Mails mit unterschiedlichsten Anliegen. Beim Großteil der Anliegen (~80%) handelt es sich um einfache Sachverhalte wie „Stammdatenänderung“, „Vertragsänderungen“ oder „Kündigungen“. Die restlichen ~20% der E-Mails sind komplexere Anliegen, etwa individuelle offene Fragen.

Um diese E-Mails zu verarbeiten und zu beantworten hat ACME eine eigene Customer-Support-Abteilung mit 952 Mitarbeiten. Je weiter ACME es schafft, die einfachen Sachverhalte automatisiert zu bearbeiten, desto mehr Zeit haben die Mitarbeiter, um individuelle Kundenanfragen personalisiert und kompetent zu beantworten.

Die Support-Abteilung hat ein typisches CRM-System, welches die Abteilung unterstützt. Es ist regelbasiert, d.h. E-Mails wurden lediglich nach bestimmten Schlagworten wie „Kündigung“ oder „Vertragsänderung“ durchsucht, um deren Intention zu erkennen. Das war bis vor kurzem kaum anders möglich.

Heute erlaubt es jedoch moderne NLP-Technologie, Systeme zu entwickeln, die den Kontext von E-Mails begreifen können. Diesen Fortschritt könnte ACME nutzen, um E-Mails verlässlicher einzuordnen und zu verarbeiten und Schritt für Schritt auch komplexere Sachverhalte zu automatisieren. Es ist sogar möglich geworden, mehrere Intentionen aus einer Freitext-E-Mail zuverlässig zu erkennen.

Das KI-System

Im Customer-Support bietet sich für Unternehmen häufig eine gute Möglichkeit, iterativ ein KI-System einzuführen und weiterzuentwickeln.

Das Ziel ist es hierbei mithilfe des KI-Systems, die automatisierte Verarbeitung von E-Mails zu verbessern. In der ersten Ausbaustufe könnte das System zunächst in der Lage sein, das Anliegen von Kunden-E-Mails zu erkennen und diese automatisiert an die richtige Stelle im Unternehmen weiterzuleiten.

Sobald dieses Basissystem produktiv ist, könnte dann begonnen werden, es inkrementell zu erweitern. Denkbar wären hier z.B. folgende Features:

  • vorausgefüllte E-Mail Templates für Support-Mitarbeiter zur Beantwortung der E-Mails
  • sofortige, personalisierte und individuelle Rückmeldung des Systems an den Kunden
  • automatisierte Beantwortung einfacher Anfragen
  • automatisierte Bearbeitung einfacher Aufgaben, z.B. Update der Kundendaten bei Adressänderung

Ein zusätzlicher Mehrwert kann darüber hinaus oft durch automatisierte Analysen der Kundenanfragen generiert werden.

  • Welche Probleme hat die Kundschaft an einem bestimmten Tag beschäftigt?
  • Welche Probleme können frühzeitig erkannt und behoben werden?

Unsere Projekterfahrung hat gezeigt, dass KI-unterstützte Support-Arbeitsplätze zu einer drastischer Verkürzung der Bearbeitungszeit von Kundenanfragen führen können. Durch Minimierung repetitiver Aufgaben kann zudem die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich gesteigert werden.

Löst KI jetzt alle Probleme?

Häufig herrscht leider eine falsche Erwartungshaltung. KI wird mit menschlicher Intelligenz verglichen – davon sind wir aber noch weit entfernt. KI kann derzeit repetitive Aufgaben erlernen, aber noch lange nicht denken wie ein Mensch.

In einem ersten Impuls besteht die initiale Idee für ein KI-System oft darin, sehr komplexe Prozesse im Herzstück eines Unternehmens zu verbessern. Dies ist meist dem Hintergedanken geschuldet, sofort den maximalen Nutzen aus der neuen Technologie zu ziehen. Häufig befinden sich an diesen Stellen des Unternehmens auch tatsächlich große Hebel mit enormen Potenzialen, die perspektivisch genutzt werden können. Jedoch ist die Vorstellung, solche Prozesse durch ein KI-System zu verbessern, in vielen Fällen unrealistisch.

Dies liegt daran, dass die meisten relevanten Unternehmensprozesse meist schon über Jahre hinweg ohne KI, aber mit enormem Know-How-Einsatz sehr stark optimiert wurden. Zusätzlich fehlt oft jegliche Erfahrung mit KI-Systemen und die vorhandene IT-Infrastruktur ist nicht darauf vorbereitet, komplexe KI-Systeme zu entwickeln. Es kann daher fraglich sein, ob unter diesen Rahmenbedingungen ein erfolgreicher Schritt in Richtung KI möglich ist.

Eine Alternative hierzu ist es, zunächst an einem einfachen End-to-End KI-System Erfahrung über deren Entwicklung und Lebenszyklus zu sammeln. Neben dem gewünschten Erfahrungsaufbau zu KI-Systemen und einer Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur, kann auch so bereits zusätzlicher Business Value mit KI generiert werden.

Vorgehensweise

Es ist ratsam, den abgegrenzten Use Case zunächst ohne zu viele Abhängigkeiten zu starten. Oft beobachten wir, dass erste Ziele zu hoch gesteckt werden und man sich in der Komplexität der Aufgabe verliert. Daher sollte der Fokus ausdrücklich darauf liegen, ein KI-System produktiv zu nehmen und dessen Lebenszyklus zu verstehen.

Für unser vorheriges Beispiel im Customer Support könnte dies bedeuten, dass man sich zunächst z.B. auf das Erkennen von Stammdatenänderung, Vertragsverlängerung und offenen Fragen konzentriert und die dafür nötige Infrastruktur aufbaut.

Grundlage für die Entwicklung des Basissystems sind die folgenden vier Kernpunkte:

  • Daten beschaffen und labeln
  • KI-System integrieren
  • Das Machine-Learning-Modell
  • Human assisted Feedback Loop

Diese Kernpunkte werden wir nun etwas genauer beleuchten.

Daten beschaffen und labeln
Ein entscheidender Schritt für KI-Systeme ist die Verfügbarkeit einer geeigneten Datenbasis. Um ein KI-System zur E-Mail Klassifikation zu trainieren, werden gelabelte Kunden-E-Mails benötigt. Das sind E-Mails, die bereits in eine Kategorie eingeordnet sind. Hierbei kann es in der Praxis eine erste Herausforderung sein, geeignete Kategorien festzulegen. Während z.B. „Stammdatenänderung“ noch recht generisch sind, spielt darüber hinaus schnell der konkrete Unternehmenskontext eine große Rolle.

Um das KI-System zu trainieren, wird insbesondere eine ausreichende Anzahl von E-Mails je Kategorie benötigt, um verlässliche Resultate erhalten zu können. Deswegen kann es sinnvoll sein, zunächst mit einer kleineren Menge an Kategorien zu starten, um diese dann später um weitere Kategorien zu ergänzen.

KI-System integrieren
Ein häufig unterschätzter Fakt ist, dass KI-Systeme letztendlich Softwareprojekte sind. Um tatsächlich Business Value mithilfe eines KI-Systems zu generieren, muss es in Produktion gebracht werden. KI-Systeme enthalten zwar eine Machine-Learning-Komponente, diese ist allerdings nur ein Teil des Gesamtsystems. Bei allem Hype um all die neuen Möglichkeiten, die Neuronale Netze und moderne Technologien bieten, sollte daher das Gesamtbild nicht aus dem Blick verloren werden.

Auf den Use Case bezogen bedeutet dies, dass das Machine-Learning-Modell auf eine geeignete Weise deployed werden muss. Darüber hinaus müssen die eingehenden Kunden-E-Mails zum Modell gebracht werden, um diese dort zu klassifizieren. Anschließend sollten die klassifizierten E-Mails – mit dem entsprechenden Label versehen – an die richtige Stelle zur Weiterverarbeitung weitergeleitet werden. Die Gesamtheit all dieser Komponenten ist das eigentliche KI-System, welches dann auch in der Lage ist, einen Mehrwert zu generieren.

Das Machine-Learning-Modell
Für viele Use Cases ist die Aufgabe ein geeignetes Machine-Learning-Modell zu finden äußerst komplex. Je nach Anforderung kann hier auch ein Deep-Learning-Modell – ein Modell basierend auf Neuronalen Netzen – erforderlich sein. Um ein solches Modell selbst zu entwickeln, wird ausreichend Data Science Know-How benötigt. Typischerweise gibt es hierfür eine Explorationsphase von ein paar Wochen, in denen Modelle evaluiert und schließlich ein erster Modell-Prototyp entwickelt wird.

Glücklicherweise ist E-Mail-Klassifikation schlicht Textklassifikation und das Problem ist im Deep-Learning-Bereich schon sehr gut verstanden. Daher besteht ein Vorteil unseres Beispiel-Use-Cases darin, dass es bereits fertige Modelle gibt, die man direkt verwenden kann. Es ist also möglich, für das vorgeschlagene Basis-KI-System ein bestehendes Open-Source-Modell zu verwenden, das von Data-Science-Experten unter Beachtung aktueller Best Practises entwickelt wurde.

Ein fertiges Modell kann beispielsweise aus dem beliebten Python-Modul spaCy entnommen und direkt trainiert werden.

Human assisted Feedback Loop
Auch KI-Systeme machen Fehler. Sobald das KI-System produktiv ist, werden einige der eintreffenden E-Mails falsch klassifiziert werden. Das ist völlig normal und wird sich erfahrungsgemäß auch nicht vollständig vermeiden lassen. Auch ein Mensch wird in der Praxis Schwierigkeiten haben, alle eintreffenden Kunden-E-Mails stets korrekt einzuordnen. Und eine Gruppe von Personen wird bei einzelnen E-Mails unterschiedlicher Meinung sein, welche Klassifizierung richtig ist.

Ein KI-System kann sein volles Potenzial dann entfalten, wenn es sich regelmäßig weiter verbessern kann. Es ist sinnvoll, die klassifizierten E-Mails des Systems von einem Menschen verifizieren zu lassen. Dabei ist es wichtig, falsch zugeordnete E-Mails nicht einfach verärgert hinzunehmen, sondern diese mit dem richtigen Label zu versehen. Solche händisch korrigierten E-Mails sind sehr wertvoll und können gemeinsam mit den restlichen klassifizierten E-Mails dazu verwendet werden, die Anzahl an gelabelten E-Mails immer weiter zu vergrößern.

Dadurch vergrößert sich die Datengrundlage für das Training der Machine-Learning-Komponente ständig. Ab einer gewissen Menge an zusätzlichen Daten lohnt es sich, die Komponente erneut zu trainieren, um diese zu verbessern. Idealerweise ist das KI-System so konstruiert, dass es sich selbst regelmäßig neu trainiert und deployed.

So kann das KI-System immer besser und die Anzahl an händischen Korrekturen immer weiter reduziert werden.

Fazit

Es ist sinnvoll, zunächst ein einfaches KI-System vollständig umzusetzen und dieses inkrementell weiter zu entwickeln. KI-Systeme sind Softwareprojekte, welche eine Machine-Learning-Komponente beinhalten. Um einen wirklichen Mehrwert zu erzeugen benötigt man neben Data Science Know-How auch Wissen über Daten-Pipelines und Continuous-Deployment-Strategien. Es ist ratsam, anhand eines einfachen KI-Systems und out-of-the-box Modells Erfahrung über den Lebenszyklus von KI-Systemen zu sammeln. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen fällt es dann deutlich leichter, komplexere KI-Systeme zu entwickeln.

Wenn Sie mehr zum Thema NLP in unserem Blog lesen wollen, empfehlen wir den Artikel NLP-Basics . Allgemeine Informationen zum Thema KI haben wir auf codecentric.ai zusammengestellt.

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