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Wie hilft Empathie bei der Softwareentwicklung?

3.7.2017 | 6 Minuten Lesezeit

Heute beginnt ein neuer Sprint, das Portal, das wir für den Kunden bauen, befindet sich kurz vor dem Launch. Der Product Owner (PO) hat bereits angekündigt, dass noch ein wichtiges Feature fehlt. Ersten Schätzungen zufolge könnte das recht viel Zeit in Anspruch nehmen.

10:00 Uhr: es ist Sprint Planning, zusammen mit dem PO überlegt das Team, wie es das Feature schnellstmöglich umsetzen könnte. Die Diskussion zieht sich in die Länge. Kollege A schlägt vor, doch einfach mal das Feature “ins System zu hacken”: “Vergiss die Tests, die kosten doch sowieso nur Zeit. Und die Fallback-Geschichten bei der Service-Einbindung sparen wir uns auch im ersten Schritt”. Dem Kollegen B platzt der Kragen: “Bist Du irre? Du weißt doch, wir arbeiten hier testgetrieben!” Kollege A: “Du hast doch gehört, es soll schnell gehen. Willst Du mit Deinem TDD das ganze Projekt sprengen?!”

Diese Situation ist typisch. Es gibt eine Meinungsverschiedenheit, die Diskussion eskaliert. Am Ende bleibt zu wenig Zeit, um eine durchdachte Lösung zu finden. Warum müssen die Kollegen A und B auch immer so emotional sein?

Nun, es gibt auch andere Wege. Als Beobachter dieser Situation wird offensichtlich, dass die Kollegen einfach nur unterschiedliche Positionen einnehmen. Die Frage ist nun, wie man mit dieser Situation umgeht. Wie könnte Empathie bei diesem Thema helfen?

Was ist Empathie?

Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gedanken, Gefühle und das Weltbild von anderen Menschen hineinzuversetzen. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort „empatheia“ für „Einfühlung“ ab. Die eigene Perspektive, Anschauung und Gedanken spielen dabei keine Rolle.

Empathie sollte nicht mit Sympathie (die “… sich spontan ergebende gefühlsmäßige Zuneigung”) verwechselt werden: der Beobachter wird und muss nicht alle Werte und Erfahrungen in gleicher Weise bewerten wie der Andere.

Emotionale Reaktionen

Eine Erklärung für emotionale Reaktionen würde den Rahmen dieses Blogartikels sprengen. Ich möchte daher auf das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun verweisen. Das Modell beschreibt die Ebenen “Sachinhalt”,  “Appell”, “Beziehung” und “Selbstkundgabe”, auf denen sich Menschen je nach innerem Zustand meist unbewusst mitteilen.

Zurück zu unserem Beispiel: Kollege A macht den Vorschlag, mit dem Programmieren zu beginnen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wieso reagiert Kollege B darauf emotional? Die Sachargumente sind schnell klar: Tests sind ihm wichtig, er möchte nicht darauf verzichten.

In unserem Beispiel sagt Kollege B: “Bist Du irre? Du weisst doch, wir arbeiten hier testgetrieben!” Er teilt also mit, dass er nicht auf TDD verzichten möchte (“Selbstkundgabe”). Der scharfe Ton (“Du weißt doch!”) macht klar, dass B seinen Kollegen auffordert, nicht auf Tests zu verzichten. Er gibt zu verstehen, dass er sich mit der Herangehensweise seines Kollegen an das Problem nicht anfreunden möchte. Eine mögliche Interpretation könnte sein: “Du bist leichtfertig und schaffst mir Probleme in der Zukunft”.  

Was mache ich nun mit Empathie?

Empathische Menschen reagieren oftmals intuitiv. Sie nehmen wahr, dass “etwas nicht stimmt” und versuchen zu ergründen, was die Ursache für diese Emotionen ist. Dies geschieht durch einfaches Nachfragen. Schließlich agieren sie zunächst nur auf der Basis von subjektiven Eindrücken. Ziel ist es, das Problem aus der Sicht des Kollegens verstanden zu haben. Auch bei der Problemlösung kann es nicht schaden, auf die oben beschriebenen Signale zu achten.

Menschen, die das Gefühl haben, wenig oder gar nicht empathisch zu sein, sollten aber nicht so schnell aufgeben. Wir sind durch Schule und Arbeit darauf trainiert, Diskussionen auf der Sachebene wahrzunehmen. Es schadet nicht, bei Diskussionen einfach mal auf sein Gefühl zu hören und darüber zu reflektieren, was man neben der Sachinformation wahrgenommen hat.

Wichtig: Empathie ist nur der erste Schritt. Um seine Eindrücke zielgerichtet einsetzen zu können, müssen weitere Fähigkeiten trainiert werden. Kommunikationstechniken helfen beispielsweise, heikle Themen so zu kommunizieren, dass sie vom Empfänger ohne weitere Eskalation akzeptiert werden können. Die eigene Kommunikation kann somit auch zum Problem werden. Hier kommt neben der verbalen auch die nonverbale Kommunikation ins Spiel.

Verbale Kommunikation

Unter verbaler Kommunikation verstehe ich hier alles, was durch gesprochene Worte ausgedrückt wird. Es ist nun eine Sache, bestimmte Eindrücke wahrzunehmen. Es ist eine andere Sache, eine Wahrnehmung in eine Frage umzuformulieren. Falsche Formulierungen können schnell zu Eskalationen führen.

“Du bist ja irre” war eine erste Reaktion, mit der Kollege B seinem Unmut Ausdruck verlieh. Der Vorwurf ist im Raum, Kollege A entscheidet sich für einen direkten Gegenangriff (“Willst Du … das ganze Projekt sprengen?!”).

Wer sich in die Situation einer anderen Person versetzen möchte, sollte seinem Gesprächspartner einen offenen Rahmen bieten. Ein wertschätzender und achtsamer Fragestil hilft allen Beteiligten, sich auf die eigentliche Frage zu fokussieren. Ich-Botschaften helfen, Vorwürfe zu vermeiden. Kollege A beispielsweise dürfte mit dieser Frage weiter kommen: “Ich merke, dass Dich meine Lösung nicht überzeugt. Wo siehst Du das Problem?”

Natürlich gibt es eine Vielzahl an weiteren Hilfsmitteln und Techniken, die hier helfen können, z.B. aktives Zuhören, Spiegeln oder Reflexion. Eine strukturierte Feedbackkultur hilft jedem Teammitglied, Feedback geben und annehmen zu können.

Nonverbale Kommunikation

“Man kann nicht nicht kommunizieren”. So  lautet Paul Watzlawicks erstes Axiom . Gemeint ist damit, dass nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch die Intonation, Körpersprache, selbst Schweigen eine Form der (nonverbalen) Kommunikation darstellen.

Warum ist das wichtig? Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass nicht nur das, WAS gesagt wurde, wichtig ist, sondern auch, WIE es gesagt wurde. Ein Kollege, der beispielsweise mit einem schlecht gelaunten Gesichtsausdruck einer Entscheidung zustimmt, macht unbewusst klar, dass er nichts von dieser Entscheidung hält und dass er sie vermutlich nicht lange unterstützen wird.  

In dieser Situation ist eine empathische und achtsame Herangehensweise essentiell. Zum einen muss der offensichtliche Widerspruch aufgeklärt werden. Zum anderen wäre es fatal, den Kollegen mit dem Widerspruch zu konfrontieren. Hier helfen die beschriebenen Kommunikationstechniken, Feedback und aktives Zuhören, um die Situation zu klären und eine Lösung zu finden. Der entscheidende Unterschied liegt in der Vertrauenswürdigkeit und der Tragfähigkeit der Entscheidung.

Wir alle senden nonverbale Signale. In bestimmten Situation sind diese Signale höchst ungewollt, da sie unsere wahre Intention verraten können. Ich persönlich möchte aber davon abraten, diese Kommunikation unterdrücken zu wollen. Das gelingt mehr schlecht als recht. Alternativ könnte man die eigene Reaktion dahingehend nutzen, zu hinterfragen, ob man selbst „Teil des Problems” ist.

Zusammenfassung

Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gedanken, Gefühle und das Weltbild von anderen Menschen hineinzuversetzen. Empathie ist gerade dann hilfreich, wenn eine Person über die verbale Kommunikation ein Botschaft sendet, die durch die nonverbale Kommunikation nicht bestätigt wird. Empathie ist dabei zunächst nur als Fähigkeit zu verstehen. In Kombination mit Kommunikationstechniken wird aus Empathie ein wertvolles Werkzeug im täglichen Umgang mit Kollegen und Kunden. Da die Interpretation stark von der eigenen Person abhängt, ist die Reflexion über sich selbst der dritte Baustein.

In unserem Beispiel klärte sich die Situation, nachdem Kollege B seinen Unmut neu formulierte. Es stellte sich heraus, dass Kollege A noch keine klare Lösung gefunden hatte und Verzögerungen befürchtete. Diese Bedenken konnte Kollege B recht schnell ausräumen, so dass das Team zügig mit der Umsetzung beginnen konnte. Die Fallback-Lösung wurde ein paar Tage nach dem Launch bereitgestellt. Der PO zeigte sich sehr zufrieden mit der Lösung.

Ich hoffe, mit diesem Blogartikel weitere Menschen zu ermutigen, sich mit dem Thema Empathie zu beschäftigen. Ich möchte diesen Artikel mit einem Rat abschließen: bitte sprechen Sie in Meetings nicht darüber, dass sie Empathie einsetzen wollen.

Warum nicht? “Ich bin jetzt mal empathisch…” kommt nicht besonders gut an. Wie sehen Sie das?

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